Flimkritik. Lektüren der Filmkritik (1957–1984)

Kunstgriffe

Während ich Truffauts »Les Quatre Cents Coups« (1959) im Kino sah, fiel ich aus allen Wolken, als Antoine auf der Kirmes in die Karusselbox steigt, sein Körper unter den Fliehkräften der Kreiselbewegungen den Boden unter den Füßen verliert, da lachte ich mit und es gab kein Halten mehr. Darüber schreibend dürfte kein Satz in Reih und Glied bleiben, dachte ich, damit nachvollziehbar würde, worum es geht.
Im Film begleitet die Kamera Antoine und seinen Klassenkameraden René während sie die Schule schwänzen. Einmal gehen sie ins Kino. Ein anderes mal spielen sie Flipper. Die Erfahrungen, die sie an diesem Tag machen, sind streng außerschulisch, und worauf es da ankommt, die coolen Skills: Statt Rede-und-Antwort-Stehen, Staunen und geschicktes Knöpfe drücken. Ein Kindertraum.
Kino und Flipper-Automat gehören auf eine besondere Art zusammen. Sie setzen eine Wahrnehmungsweise in Gang, die von elektrisch ausgelösten Erscheinungen geprägt ist: Eine rasche Abfolge von Reizen, »Chocks«, Bilder und Sounds.
Ob Flippern und Kino asozial sind, weil sie kein »Gespräch« darstellen, oder ob sie auf eine »Dekomposition des Individuums« hinauslaufen, das sollen andere entscheiden. Mir geht es hier nicht darum, Flipperspiel und Kino an den Normen einer an Sprachmächtigkeit ausgerichteten bürgerlichen Öffentlichkeit und ihrem Austausch von guten Argumenten zu messen. Mir gehts darum, wie man den Ball am Laufen hält, darum, wie man im Spiel bleibt, mich interessieren die Handgriffe des Flipperns und ihre Beziehung zum Schreiben über Kino.
Ich weiß nicht, wer aus der Filmkritik Flipper spielte. Dass sich einige Texte ums Flippern drehen, gibt zu Denken. Und dass Flipper-Autoautomaten in der Filmkritik zum Kauf angeboten werden, wirft Fragen auf (2/71).
fk_flipper

Dass die schwierigste Disziplin der Filmkritik die Beschreibung des Films ist, wollte eine Filmkritikerin, mit der ich sprach, nicht gelten lassen. »Das geht mir leicht von der Hand«. Im Gespräch entging mir zunächst die sprichwörtliche Wendung im Satz. Doch dann erkannte ich den Witz. Das Gelingen der Filmbeschreibung findet in einer körperbezogenen Wendung Ausdruck. Schreiben, heißt das, ist eine körperliche Tätigkeit. Die Hand muss mit dem Rhythmus des Schnitts Schritthalten. Film und Schreiben werden eins, filmische Schreibweise. Dass Schreiben eine körperliche Tätigkeit ist, heißt aber nicht, dass ein Text gelungen ist, wenn man merkt, dass die Sätze schwitzen. Doch mit dem Kopf hat es so wenig zu tun wie Tanzschritte üben. »It was, along with everything else, most assuredly a gently dynamic intercourse of kinetics, involving a fine elegance of watchwork movements, thoughtless subtle reactions, a body wit of discreet and infinitely varied syncopations.« Das hat kein Filmkritiker geschrieben. Das sind Erinnerungen eines Flipperspielers.
In einem seiner schlechteren Texte schreibt Roland Barthes 1970, dass den Flipper-Automaten einen »Symbolik der Penetration« auszeichne. »Es geht darum, mit einem gut geführten ›Stoß‹ das Pin-up-girl zu besitzen, das da lachend und erwartungsvoll auf der Rückentafel leuchtet.« Das klingt überraschend phantasielos. Könnte der Flipperspieler nicht auch gerade unter Beobachtung des Pin-up-girls zur Höchstform auflaufen können? Das Pin-up-girl ist die zentrale Instanz, vor der man seine Skills unter Beweis stellt. Am Rande stehen die Freunde und schauen.
Filme beschreiben und dem Publikum seitenweise zeigen, was läuft, das ist der Traum des Filmkritikers. Schreibend filmen, das ist Kür. Ein Filmkritiker will zeigen, dass er etwas gesehen hat und die große Bühne. Der ehemalige Filmkritik-Autor Uwe Nettelbeck, 1998 in der Jungle World, proudly presents: »Titanic. Eine Liebe, die über die Elemente triumphiert, ist nicht jedermanns Sache.«


»Was James Cameron gelungen ist, zeigt schon der eine wunderbare Moment, wo Rose, jetzt bin ich dran, aus ihren Schuhen schlüpft, auf Strümpfen im Kreis der Männer steht, Tommy, der gerade das Armdrücken verloren hat, die Zigarette aus dem Mund nimmt, sie zwischen Daumen und Zeigefinger hält wie ein Kerl, die Glut nach innen, und nach einem tiefen Zug, so you think you're a big tough man, eh? let's see you do this, sich aufrichtet und ihr Gewicht, bis sie zu schweben scheint, und höher über den Planken des Schiffs, als es die Möglichkeit ist, langsam auf die Zehenspitzen stellt, die es einen kurzen und doch so langen Augenblick lang triumphierend halten, ehe Rose Jack, der ihren Rockzipfel gehalten hat, lachend in die Arme fällt. Sarah und Ripley hatten, um sich zu behaupten, noch alle Hände voll zu tun. Und Cameron bis jetzt damit, Knöpfe in Hollywood zu drücken.
Give me my hands, sagt der Schatzsucher, und die Greifhände des Unterwasserroboters drehen die Tür um, unter der das Team den Safe findet, in dem es den blauen Diamanten zu finden hofft, le coeur de la mer. Die Hände der alten Rose, die den Ton formen, der sich auf der Töpferscheibe dreht. Die Hände des Teams, die der alten Rose aus dem Hubschrauber an Deck helfen, die Hand der Enkelin, die die Hilfe abweist. Die Erinnerungsstücke in den Händen der alten Rose, ihre Hände vor ihrem Gesicht, das Bild der beiden Stewards, deren Hände ihr die Tür zum Foyer öffnen, der Schmerz der Erinnerung. Die Computersimulation des Untergangs, und vor dem Bildschirm Bobby's Hände, die ihn nachzeichnen, Captain Smith had the iceberg-warning right in his fucking hand! excuse me, his hand. Die Hand der jungen Rose das erste, was von ihr zu sehen ist, als sie aus dem Auto steigt, das sie in Southhampton zur Titanic fährt. Cal Hockley's Hände in Lederhandschuhen, Trinkgelder verteilend, alles im Griff, auch Rose, seine Verlobte, die er die Gangway hinaufführt. Jack's Hand, die nach der Karte greift, das Blatt hält, das ihm die Passage gewinnt, I won this trip at a lucky hand of poker, a very lucky hand, die Reise in den Tod, von der er sterbend sagen wird, sie sei das Beste, was ihm je passiert sei. Die winkenden Hände der Abschied nehmenden Passagiere, die der Zurückwinkenden. You know somebody down there? fragt Fabrizio. Of course not! That's not the point! erwidert Jack und winkt wie um sein Leben. Als das Schiff Cherbourg und Queenstown verlassen und auf offener See Kurs auf Amerika genommen hat, Jack und Fabrizio am Bug stehen, der tief unter ihnen das Wasser durchschneidet und den Delphinen folgt, die ihm voranschnellen, Jack's Faust, die er gen Himmel reckt; die Freudenschreie, die er ausstößt, wie ein Echo auf die Schreie der ihre Hüte schwenkenden Cowboys Dunson's im Morgengrauen des ersten Tages auf dem Chisholm Trail. Die miteinander spielenden Hände des Mannes und des kleinen Mädchens auf dem Vorschiff, die Jack zeichnet. Als er Rose zum ersten Mal sieht, ihre Hände auf der Reling. Cal's Hand, die Rose die Zigarette aus der Zigarettenspitze nimmt. Jack's ausgestreckte Hand, give me your hand, zu Rose, die jenseits der Heckreling steht und sich in die Fluten zu stürzen droht, give me your hand, und als sie sie ergreifen will, den Halt verliert, aber sie noch ergreifen kann, nicht fallen will, don't let go. Ihr Leben in seiner Hand. I got you! I'll pull you over. Seine Hände in den Taschen, als Cal ihm zur Belohnung zwanzig Dollar reichen lassen will. Cal legt Rose die Kette mit dem Diamantenherz um, open your heart to me, Rose, ihre Hand bedeckt es, und ihres. Als Rose findet, daß Jack's Frage nach der Aufrichtigkeit ihrer Gefühle für Cal zu weit geht, ihre ihm zur Verabschiedung gereichte Hand, die nicht aufhört, seine zu schütteln. Auf Jack's Skizzen, die Rose betrachtet, immer wieder Hände, und mehrmals gezeichnet die Hände einer Frau. A love affair? Just with her hands. She was a one-legged prostitute. She had a good sense of humor, though. Jack's Hände, als er im Abendanzug übt, wie man einer Dame den Arm reicht. Die zur Begrüßung ausgestreckte Hand Jack's, die Cal übersieht. Rose's Hand im weißen Handschuh, die Jack formvollendet küßt, I saw that in a nickelodeon once and always wanted to do it. Cal hat kein Feuer, fängt aber geschickt die Streichhölzer, die Jack ihm quer über den Tisch zuwirft, und wirft sie Jack nach dem Souper zurück, der Fehdehandschuh. In Jack's Hand verborgen der billet doux, dann in ihrer, dann entfaltet auf ihrer Hand, make it count, meet me at the clock. Jack's Hand, die Rose an der Hand nimmt und die Treppen hinunter in die Dritte Klasse führt, you want to go to a real party? Cal's Hand, die den Frühstückstisch leerfegt und ihn umwirft. Die Hände der Mutter, die Rose in ihr Korsett schnüren. Jack's Hand, die Rose an der Hand nimmt und durch die Tür zieht, hinter der er ihr die erste Liebeserklärung macht, sie ihn noch einmal zurückweist. Im Tea-Room der Ersten Klasse die Hand der Frau im Rücken des kleinen Mädchens, die es zum Geradesitzen zwingt, in durchsichtigen Handschuhen dessen Hände, die die Serviette auf seinem Schoß zurechtzupfen und glattstreichen. Nach Sonnenuntergang folgt Rose Jack zum Bug, Jack, give me your hand, greift nach Rose's Händen, close your eyes, hilft ihr auf die Reling, do you trust me? I trust you, und als sie sicher im Fahrtwind steht, und hinter ihr Jack, der sie festhält, vor ihr nichts mehr ist als das Meer, öffnet sie die Augen, und breitet er ihre Arme aus wie Flügel. Die ineinander verschlungenen Hände liebkosen sich lange, und lange vor dem ersten Kuß. Jack's Finger, die über ein Detail des Monet streichen, Seerosen. Rose's Hände, die ihr Haar lösen, die den Morgenmantel öffnen. Als er beginnt, sie zu zeichnen, will er, daß sie die Haltung ihrer Hand ändert, put your hand next to your face. Seine Hand berührt zaghaft ihre Brust auf dem Papier. Why I believe you're blushing, Mr. Dawson, I can't imagine Monet blush. Monet does landscapes, sagt Jack. Er reicht ihr die Mappe, sie nimmt sie entgegen, und sie küssen sich, aber seine Hand gibt die Mappe nicht frei, der Kuß soll nicht enden. Jack und Rose Hand in Hand auf der Flucht vor Spicer Lovejoy. Sie entkommen ihm in den Fahrstuhl zum E-Deck, Rose hebt die Hand und zeigt der hired hand den Finger. Hand in Hand durch den Kesselraum, und Rose's weißes Kleid fliegt an den Flammen vorbei, die nach ihm zu greifen scheinen. Sie küßt die Finger der Hand, die sie gezeichnet hat, und legt sie auf ihr Herz. Put your hands on me, Jack. Von außen gesehen ihre Hand an der beschlagenen Rückfensterscheibe des Autos, in dem sie sich lieben; die in die Feuchtigkeit gezogene Figur ein Schemen auch der Bahn des Schiffs in die Tiefe. Ihre Hände um sein Gesicht. Der Abdruck ihrer Hand, als Lovejoy's hired hands nach ihnen suchen. Die Hände des Steuermanns am Ruder, das sie vergeblich herumreißen, die Hand des Maschinisten, die vergeblich den Maschinentelegraphen auf stop und volle Kraft zurückstellt. Jack und Rose Hand in Hand auf dem Weg zu Cal's Suite. Lovejoy's Hand, die den Diamanten in Jack's Manteltasche schmuggelt. Rose zu Jack, don't let go of my hand. Hand in Hand Rose und Jack vor Cal und Rose's Mutter, nichts soll sie mehr trennen. Die Hände des Waffenmeisters, die es tun. Jack's Hände in Handschellen. Cal, der die Hand gegen Rose erhebt und zuschlägt. Jack's Hände mit den Handschellen an ein Eisenrohr des Haftraums gefesselt. Lovejoy's Hand, die sich um den Schlüsssel schließt. Thomas Andrews' Hände, die die Konstruktionszeichnungen entrollen. Die Taschenuhr in der Hand des Kapitäns. Die morsende Hand des Funkers. Hände überall, an den Bändern der Schwimmwesten, an den Vertäuungen der Boote. Die Hände der Zwischendeckpassagiere an den Gittern, die ihnen die Aufgänge versperren. Rose's Hände, die über das Schlüsselbord fliegen, in den Schubladen tasten, die den Mantel abwerfen, der sie im Wasser behindert, das ihr auf dem Weg zurück zu Jack entgegen flutet, in den Gängen höher und höher steigt, ihre Hände, die die Axt ergreifen, den Stiel zuerst falsch, zu weit unten, dann richtig packen, weiter oben, ehe sie zuschlägt, mit geschlossenen Augen, und trifft, genau in der Mitte die Kette zwischen Jack's Händen. Cal's und Jack's Hände, die Rose Cal's Mantel umlegen und ihr in ein Boot, die Hände der Matrosen, die ihr ein Deck tiefer nach ihrem Sprung zurück zu Jack zurück an Bord des Schiffs helfen. Jack's und Rose's Hände, die sich durch die Panik der Menschenmenge zueinander kämpfen. Lovejoy's Hand beschwichtigend auf Cal's Arm, aber Cal entbrennt vor Wut, seine Hand fährt unter Lovejoy's Jackett, zieht ihm die Pistole aus dem Holster. Rose und Jack, die sich durch den schon fast überfluteten Gang helfen, in den sie den Schüssen entkommen sind, give me your hand, give me your hand. Beider Hände an einem verschlossenen Gitter. Die zitternden Hände des Stewards, die den passenden Schlüssel nicht finden, den Bund fallen lassen. Jack's Hand unter Wasser, die ihn sucht und findet. Ihre Hände, denen es gemeinsam im letzten Augenblick gelingt, das Gitter zu öffnen. Die Revolver in den Händen der Offiziere, die den Männern das Besteigen der Boote verwehren. Der Revolver in der Hand des Ersten Offiziers, der Tommy erschießt und dann sich selbst. Fabrizio's Hände, die die Schwimmweste des toten Tommy aufnesteln, gegen den Schornstein gerichtet, der ihn erschlägt. Thomas Andrews' Hand, die die Uhr des Salons noch einmal nach seiner stellt, I'm sorry I didn't build you stronger a ship, young Rose. Die Hand des ersten Geigers des Titanic Orchesters, die den Bogen ansetzt, um ›Nearer My God To Thee‹ zu spielen. Die einander haltenden Hände des alten Ehepaars, das auf dem Bett seiner Kabine auf den Tod wartet, die der Mutter, die ihre beiden Kinder zu Bett gebracht hat und noch einmal streichelt. Die Hand des Kapitäns, die die Tür zum Ruderhaus hinter sich schließt, zum Ruder greift, als das Wasser hereinbricht. Die Hand des Haltungbewahrenden, aber fassungslos staunenden Benjamin Guggenheim, die sein letztes Glas Brandy hält. John Jacob Astor's Hand an einer Säule, die ihm noch Halt gibt. Zahllose Hände, die keinen mehr finden, als das Schiff sich immer stärker neigt. Die Hände der Todgeweihten, die sich an die Hand des Priesters klammern, dessen andere Hand einen Halt sucht. Jack zu Rose, give me your hand, I'll pull you over, und noch einmal hilft Jack's Hand ihr über die Reling. Jack's und Rose's nebeneinander, als das Schiff unter ihnen senkrecht in die Tiefe fährt. Jack hat keine Schwimmweste. What-ever you do, don't let go of my hand. Sein Leben in ihrer Hand. Aber die Gewalt des Sogs entreißt sie ihr doch. Ihre Hände, die verzweifelt nach der verlorenen suchen. Seine, die aus dem Wasser fahren und Rose gegen den Mann verteidigen, dessen Hände sie unter Wasser zu drücken drohen. Fest in ihren die des sterbenden Jack. Vom einzigen Rettungsboot, das nach Überlebenden Ausschau hält, das Licht der Lampe in der Hand des Offiziers, der es befehligt. I'll never let go, als Rose die Hand des toten Jack endlich loslassen muß, um das Versprechen zu erfüllen. Jack's noch einmal nach Rose ausgestreckte, als sein Leichnam versinkt, seine Hand das letzte, was von ihm zu sehen ist. Auf der Carpathia, die die Überlebenden an Bord genommen hat, Rose's Hand, die die Decke näher an ihr Gesicht zieht, damit Cal sie nicht entdeckt. Die Hand, die die Namen der Überlebenden aufschreibt. Your name please. Dawson, Rose Dawson. Als die Carpathia in den Hafen von New York einläuft, leuchtend in der Nacht die Freiheitsstatue, ihr Arm, ihre Hand, die die Fackel hält. Und auf der Keldysh, über dem Herzen und um den Diamanten gefaltet die Hände der alten Rose, und noch einmal auf eine Heckreling gelegt, die ganze Leinwand füllend, die Hand der alten Rose, die alte Rose, die sich mühsam auf die unterste Verstrebung stellt und noch einmal aufrichtet so hoch sie kann, und dann ihre andere Hand, die sich öffnet und das Herz des Ozeans in seine Wogen fallen läßt.«


Auf die Frage, wie und ob das, was er macht im Film und überhaupt, mit Sozialismus zu tun hat, antwortetet Rainer Werner Fassbinder, in dessen Filmen viel geflippert wird, in einem Interview in der Filmkritik 1969:
»Wie weit das mit Sozialismus zu tun hat? Nein, nicht mit Sozialismus, sondern […]. Daß man versuchen sollte, im ganz Privaten Revolution zu machen […]. Das ist meine Vorstellung von Sozialismus.
Wilhelm Roth: Und da gehören also auch Flipper dazu, und so weiter? Fassbinder: Logisch gehören Flipper dazu. Da gehören Flipper dazu und gehören lauter Dinge dazu, die Spaß machen. Wenn ich gerne Flipper spiele, kann damit niemand was anfangen.«
Durch Flippern einen allgemeinen Verwertungszusammenhang spielerisch zu unterlaufen, das steht im Kontext der »Flipper-Euphorie« der antiautoritären Phase der Protestbewegung in der Bundesrepublik. Den Verwertungszusammenhang, in dem Filmkritik als Serviceleistung steht, zu durchbrechen, war der Anspruch einer filmkritischen Schreibweise, der Ende der 1960er Jahren in der Filmkritik entstand. Enno Patalas hat 1966 mit seinem »Plädoyer für eine Ästhetische Linke« den Ball ins Rollen gebracht als er von einer »ästhetisch engagierten« Kritik schrieb, die sich ins Spiel einbringt mit der Bereitschaft, »Prozessen mehr Beachtung zu schenken als Resultaten«.
Harun Farocki erinnerte sich 2003 an diese Phase der Filmkritik, in der Texte »sich aus dem lebendigen Interesses eines Autors begründen« sollten und »keinesfalls aus der Herleitung der Nützlichkeit«. Das war die Zeit, in der es galt, »die falsche Vorstellung von der Funktion des Kulturbetriebs zu erschüttern«.

Back